Tschechien: Abtauchen in die Pilsner Unterwelt & Bestaunen des Loos-Interieurs

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Mein diesjähriger Mutter-Tochter-Städtetrip führte mich nach Tschechien, was zweierlei Gründe hatte: Einerseits hatte ich keine Lust auf großartiges Rumgefliege in der Weltgeschichte, andererseits liegt das Gute oft doch so nah. Von Wien aus erreicht man die tschechische Grenze nämlich in 1-2 Autostunden, weshalb wir uns in den letzten Jahren auch schon Český Krumlovv und Schloss Lysice bei Tagesausflügen angesehen haben. Diesmal stand aber eine kleine Rundreise von Pilsen, nach Prag und als letzter Stopp Theresienstadt an.

Pilsen – Europäische Kulturhauptstadt 2015

Kaum eine Stadt hat so eine einzigartige Lage wie Pilsen. Es erstreckt sich an dem Zusammenfluss von vier Flüssen inmitten des Pilsner Beckens. In der Region sind zahlreiche Denkmäler erhalten geblieben, vor allem prachtvolle barocke Klöster und Schlösser, dank denen die Pilsner Region eine „Perle des Barocks“ genannt wird. Da wir nur einen Tag für die westböhmische Stadt hatten, haben wir uns aber aufs Stadtzentrum beschränkt. Hungrig nach der langen Autofahrt mit den vielen Staus und Baustellen marschierten wir zielstrebig zum farbenfrohen und wirklich großflächigen Hauptplatz, dem Platz der Republik. Dort dominiert die wunderschöne St.-Bartholomäus-Kathedrale mit dem höchsten Kirchturm in der Tschechischen Republik, eingegrenzt dreier goldener moderner Springbrunnen, welche die heraldischen Figuren des Pilsner Wappens darstellen: Einen Engel, ein Kamel und eine Windhündin. In einer Seitengasse fanden wir dann ein nettes Lokal, wo es erstmal eine Stärkung gab, ehe wir uns auf den Weg zur abendlichen Entdeckungstour machten. Entlang der alten Stadtmauer kamen wir unter anderem an der Großen Synagoge vorbei, die hinter Budapest die zweitgrößte Europas und die drittgrößte der Welt ist und schlenderten den Parkanlagenring entlang, welcher sich wunderbar für einen angenehmen Spaziergang eignet, da es nicht nur ausreichend Sitzgelegenheiten gibt, sondern auch viele Cafés und Restaurants angrenzen.

Hoch oben auf der St.-Bartholomäus-Kathedrale

Der erste Sightseeing-Stopp am nächsten Morgen war wieder der Hauptplatz mit seiner imposanten Kirche, welche auch das Wahrzeichen Pilsens ist. Der Dom ist ein nationales Kulturdenkmal, genauso wie die Statue auf dem Hauptaltar, die berühmte „Pilsner Madonna“. Auch wenn ich nicht die Sportlichste bin, war klar, dass ich die Aussichtplattform besuchen möchte. Die Kathedrale rühmt sich nämlich mit dem höchsten Kirchturm (102,6 m) der Tschechischen Republik, von dessen Plattform man die komplette Stadt und ihre Umgebung bewundern kann. So quälten wir uns also die 301 Stufen bis zur Spitze und konnten danach einen wirklich grandiosen Ausblick genießen.

Adolf Loos und seine Interieurs

Wieder unten angekommen standen die von Loos designten Wohnungen auf unserem Sightseeing-Plan. Der weltbekannte Architekt Adolf Loos wirkte in Pilsen insgesamt in zwei Perioden Ende der 1920er Jahre, wo er hauptsächlich Unternehmerfamilien aus den Kreisen der Pilsner Juden als Klientel hatte. Loos‘ Arbeiten waren für seine Zeit sehr modern und zeitlos. Man kann sagen, dass er mit seinen Entwürfen seiner Zeit voraus war. Für sein Werk sind die Verwendung hochwertiger natürlicher Materialien und maximale Wertlegung auf durchdachte Funktionen typisch. Leider ist dem Krieg geschuldet, dass die meisten der Wohnungen heute nicht mehr erhalten sind. Den jüdischen Wohnungseigentümern ging es einige Jahre nach der Fertigstellung ihrer Lebensräume nur noch um Flucht und das nackte Überleben. So kam es, dass einige der schön designten Wohnungen in Ämter umgewandelt, andere wiederum durch spätere Mieter verwüstet oder umgebaut wurden. Heute werden dem Architekten in Pilsen ungefähr 13 Realisierungen zugerechnet, wovon 8 erhalten blieben. Zur Zeit stehen der Öffentlichkeit drei Wohnungen für Besichtigungen zur Verfügung: Die Wohnung des Ehepaar Kraus, die Wohnung von Dr. Vogl, das Brummel-Haus und normalerweise auch die Semmler-Residenz, die aber zur Zeit wegen Renovierung bis auf weiteres geschlossen ist. Wir entschieden uns die Wohnung von Vilém und Gertruds Kraus in der Bendova Straße 10 und die Wohnung des Arztes Josef Vogl in der Klatovská Straße 12 zu besuchen. Erstere soll eine der schönsten Loos’schen Inneneinrichtungen die Pilsen zu bieten hat sein. Der wertvollste Teil ist der mit dem Esszimmer verbundene Salon mit Kamin. Die sich gegenüberliegenden Spielgelwände rufen einen Effekt unendlichen Raums hervor. Auch das Schlafzimmer ist wirklich interessant ausgestattet mit den komfortablen Einbauschränken und Geheimverstecken. Leider ereilte die Familie jüdischen Ursprungs ein bewegendes Schicksal. Dem Vater gelang es sich vor Kriegsbeginn im Jahr 1939 rechtzeitig nach England abzusetzen, seiner Frau und seinen zwei Kinder war dies leider nicht möglich. Sie wurden am 18. Januar 1942 nach Theresienstadt transportiert, dann weiter ins Ghetto Zamość in Ostpolen. Danach wurden sie wahrscheinlich in einem Vernichtungslager in Polen – Belżec oder Sobibor – ermordet. Die zweite Wohnung, die wir besichtigten, war die des Arztes Josef Vogl. Auch hier ging einiges während der nationalsozialistischen Besetzung verloren, sodass in der ursprünglichen Wohnung von Doktor Vogl nur mehr zwei Zimmer erhalten geblieben: Der Salon mit Esszimmer und Einbaumöbeln und das Esszimmer.

Historische Keller – Die Stadt unter der Stadt

Unser letzter Stopp in Pilsen führte uns in die historische Unterwelt der Stadt! Denn auf fast 20 Kilometern erstrecken sich die acht Grad kühlen Keller und Gewölbe, die ab dem 14. Jahrhundert unter dem Stadtzentrum gebaut wurde. Etwa 800 Meter des Labyrinths aus Gängen, Kellern und Brunnen können heute im Rahmen einer Führung besichtigt werden. Der Ausgangspunkt der etwa einstündigen Tour ist das Brauereimuseum, von dem man aus in das historischen Kellersystem geleitet wird. Das ausgeklügelte Labyrinth erstreckt sich auf 3 Etagen und wurde von den damaligen Einwohnern zum Zweck der Lebensmittel- und Bierlagerung, sowie als Schutz vor Angriffen errichtet. Das System der Gänge hatten zudem geheime Boten während der Belagerung der Stadt genutzt. Dank der ausgestellten Gegenstände, die vor allem in den hiesigen Brunnen gefunden wurden, bekommt man einen guten Einblick in das alltägliche Leben des Mittelalters und welche Rolle der Untergrund in der Zeit der Belagerung gespielt hat. Nach knapp einer Stunde endet die Führung durch die unterirdischen Gänge und Kelleranlagen von Pilsen am historischen Wasserturm, den die Pilsner im 16. Jahrhundert erbauten. Das historische Wasserwerk ist eines der bedeutendsten technischen Denkmäler und das am besten erhaltene Objekt seiner Art in Böhmen. Zu besichtigen sind Teile der Pumpenanlage aus dem Jahr 1847, die Kammern für die Wassersäulen, die Stollen für die Wasserzufuhr und eine Nachbildung des Wasserrades, das die Pumpe antrieb.

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Eine Antwort

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