Da bin ich also, es ist dunkel, kalt und windig. In meine Daunenjacke gehüllt und mit einer Mütze auf dem Kopf stehe ich da und warte. Ich möchte sie unbedingt sehen. Oder wenigstens einen. Auch wenn ich dafür die ganze Nacht hier stehen und frieren muss.
Ich befinde mich auf der Südinsel Neuseelands – in Oamaru, das an der Ostküste liegt. Schon seit einem Jahr habe ich mich auf diese Reise gefreut, und zwar vor allem auf eines: die Natur in Neuseeland. Ziemlich ähnlich wie die Schweiz soll sie sein, habe ich im Vorfeld von vielen gehört. Ja, vieles ist ähnlich. Aber habt ihr in der Schweiz schon einmal Pinguine, Robben, Pottwale und Orcas gesehen?
Heute bin ich also in Oamaru und hoffe sehr darauf, ein paar Blue Penguins beobachten zu können. Mit nur etwa 40 Zentimetern sind sie die kleinsten Pinguine der Welt. Klar, ich hätte Eintritt zahlen können, mich auf eine Tribüne setzen und bei Scheinwerferlicht die Pinguine mit ziemlicher Sicherheit erblicken können. Aber das passte für mich nicht. Ich wollte mich selbst auf die Suche machen und die süssen Tiere in ihrer natürlichen Umgebung sehen.
Ich warte seit über einer Stunde. Und immer wieder höre ich seltsame Geräusche, die ich nicht ganz einordnen kann. Sie kommen von den Felsen, etwa 60 Meter vom Meer entfernt. Zwischen den Felsen und dem Meer hat es eine Strasse sowie ein Bahngleis. Die Geräusche werden immer lauter. Schliesslich wende ich mich an einen Einheimischen und frage ihn, was das für Geräusche sind. «Das sind die jungen Pinguine, die Hunger haben», erklärt er mir. Die Eltern seien den ganzen Tag im Meer unterwegs und kommen jeweils nach dem Eindunkeln zurück, um die Jungen zu füttern. Und da es mittlerweile dunkel ist, schreien sie und verlangen ihre Eltern.
Als Gruppe die Strasse überqueren
Ich gehe zur Küste und sehe zum Wasser hinab. Und tatsächlich: Da versuchen gerade drei Pinguine, die Steine hochzukraxeln. So ein süsses Bild, ich kann meine Augen fast nicht mehr abwenden. Ich mache Fotos und Filme, bis ich irgendwann realisiere, dass die Pinguine stehengeblieben sind und wie versteinert da stehen. Ob das an mir liegt? Sind die schüchtern? Ich entferne mich ein paar Meter und versuche, ihnen genügend Raum zu geben. Und schon watscheln sie weiter, immer noch ganz vorsichtig, aber nun etwas schneller. Oben angekommen müssen sie die Strasse überqueren. Und leider ist das nicht ganz einfach, denn es fährt immer mal wieder ein Auto vorbei. Am liebsten würde ich sie auf den Arm nehmen und sie nach oben zu den Jungtieren bringen. Denn diese scheinen realisiert zu haben, dass die Eltern in der Nähe sind, und rufen immer lauter.
Insgesamt beobachte ich die Tiere über zwei Stunden. Einmal sehe ich, wie sich eine Gruppe von zehn Pinguinen vor der Strasse versammelt hat, wartet, bis ein Auto vorbeigefahren ist und dann schleunigst auf die andere Seite wechselt. Die Geräusche der Jungtiere verstummen allmählich, sie scheinen gesättigt zu sein. Immer mal wieder sehe ich ein einzelnes Tier, das noch aus dem Wasser hüpft oder sich über das Bahngleis kämpft. Denn auch dieses Hindernis scheint für das kleine Tier nicht ganz einfach zu überwinden zu sein. Ich bin ganz gerührt von der Szene, die sich mir geboten hat. Anfangs habe ich gehofft, mindestens einen Pinguin zu sehen, schliesslich sind es etwa 20 geworden. Ich hoffe sehr, dass ich die Tiere nicht zu sehr gestört oder verängstigt habe, aber ich habe eigentlich darauf geachtet, mich leise zu verhalten und viel Abstand zu wahren. Zurück auf meinem Campinglatz sehe ich noch mal einen Blue Penguin über die Wiese watscheln. Ob er sich verirrt hat? Ich bin absolut begeistert von diesem Erlebnis. Und höre die ganze Nacht durch immer mal wieder das Geräusch eines Pinguins. Ob es vielleicht in der Nähe meines Campers auch ein Nest hat?
Es ist eines meiner ersten Erlebnisse in Neuseeland und umso grösser ist die Vorfreude auf alle weiteren. Vor allem hoffe ich, noch weitere Tiere beobachten zu können. Und tatsächlich: Bei meiner Schiffsfahrt durch den Fjord «Milford Sound» entdecke ich mehrere Male ein paar Robben, die es sich auf einem Felsen gemütlich gemacht haben und sich von der Sonne bescheinen lassen.
Das absolut Unvergesslichste und Schönste erlebe ich dann aber ein paar Tage später in Kaikoura. Ich habe mir ein Ticket für eine Whale-Watching-Tour gebucht. Im Vorfeld hiess es, dass einem 80 Prozent der Kosten zurückerstattet werden, falls man nicht mindestens einen Pottwal sieht. Das stimmte mich optimistisch und voller Erwartungen gehe ich am Morgen um die verabredete Zeit in das Büro und möchte mir mein Ticket abholen. An der Kasse heisst es: «Tut uns leid, die Tour ist auf den Nachmittag verschoben worden, das Meer ist zurzeit zu rau.» Ich werfe einen Blick aus dem Fenster und sehe auf das ruhige Wasser, das sich kaum bewegt. «Zu rau?», frage ich nach, weil ich davon ausgehe, dass ich es falsch verstanden habe. Ja, es sei zu rau, das könne man von hier aus zwar nicht sehen, aber es sei so. Dort draussen, wo die Katamarane hinfahren, habe es zurzeit sehr hohe Wellen. Etwas enttäuscht gehe ich zurück auf meinen Campingplatz und versuche, die Zeit anders zu nutzen. Am Nachmittag versuche ich es nochmals im Büro und diesmal klappt es. Es sei zwar immer noch rau und die Wellen wären hoch, aber nun sollte es gehen. Plötzlich werde ich unsicher. Hohe Wellen in so einem kleinen Schiff? Geht das gut mit meinem Magen? Vorsichtshalber kaufe ich noch eine der Ingwertabletten, die hier verkauft werden. Diese sollen anscheinend gegen Übelkeit helfen. Ich schlucke sie hinunter und steige in den Bus, der mich zum Schiffanlegeplatz bringt. Dort angekommen, werde ich sehr freundlich von den Mitarbeitern begrüsst und darauf hingewiesen, dass ich mich hinsetzen und anschnallen muss und erst den Sitz verlassen darf, wenn sie es sagen. Ich setze mich in die hinterste Reihe, da ich gehört habe, dass es einem dort am wenigsten übel wird. Nach ein paar Infos geht es schliesslich los und wir fahren mit hohem Tempo mitten aufs offene Meer. Bereits nach fünf Minuten merke ich: Ingwertablette und hinterste Reihe nützen mir nicht viel.
Nach einer Weile bleibt das Boot stehen und ich darf endlich aufstehen und an die frische Luft gehen. Eigentlich möchte ich einfach kurz tief ein- und ausatmen und mich wieder ein wenig beruhigen, doch für das bleibt nicht viel Zeit: Schon schwimmen ein paar Delfine an uns vorbei, springen nur wenige Meter von mir entfernt in die Luft und zeigen uns ihr Können. Wow, das ist wirklich schön! Vergessen sind die Strapazen und ich kann auch für einen Moment ausblenden, dass das Schiff, jetzt wo wir stehen, ziemlich heftig hin und herschaukelt. Plötzlich höre ich, wie ein Raunen durch die Menge geht, und frage mich, was dies ausgelöst hat. Ich verfolge die Blicke der anderen Touristen und traue meinen Augen kaum: Ein Orca schwimmt majestätisch und scheinbar in aller Ruhe neben uns her, taucht immer mal wieder ab, um gleich darauf wieder in voller Pracht zum Vorschein zu kommen. Ich sehe, wie eine der Mitarbeiterinnen einer anderen um den Hals fällt: Sie scheint noch nicht lange auf dem Schiff zu arbeiten und hat in dieser Zeit noch nie einen Orca gesehen. Sie ist völlig aus dem Häuschen und kann es kaum glauben. Aber das soll es noch nicht gewesen sein, denn nur kurze Zeit später sind es insgesamt drei «Killerwale» die nun noch näher an unserem Schiff sind. Ich habe das Gefühl, ich müsse nur kurz den Arm ausstrecken und könne sie berühren. Ich kann mein Glück kaum fassen, stehe einfach an der Reling und beobachte das Naturspektakel. Mehrere Minuten lang weichen die Tiere nicht von unserer Seite und wir können sie in aller Ruhe beobachten.
Ich habe völlig vergessen, dass ich eigentlich auf dem Boot bin, um einen Pottwal zu sehen. Schliesslich fahren wir aber weiter und die Mitarbeiter versuchen, mittels eines Mikrofons die Tiere zu orten. Sie erklären uns, wie genau das geht: Das Mikrofon leitet die Geräusche der Wale auf die Kopfhörer eines Mitarbeiters. So wissen sie, wo es Wale hat und ob sie demnächst auf- oder abtauchen. Sie sagen uns, dass wir wahrscheinlich bald einen Pottwal sehen werden und ich bin ganz nervös und vorfreudig. Und dann, ein paar Minuten später sehen wir von weitem den Rücken eines Pottwals. Wir sehen nicht viel, und er ist ziemlich weit weg, aber trotzdem geniesse ich den Ausblick. Plötzlich bekommen wir die Anweisung, dass wir nun die Kamera zücken und den Finger bereit zum Auslösen halten sollen. Ich frage mich zwar, weshalb, mache es aber trotzdem. Und dann tönt es durchs Mikrofon: «Take your photos … now!» Klick. Und jetzt weiss ich, weshalb. Der Pottwal ist wieder hinunter ins Wasser getaucht, aber natürlich nicht, ohne vorher seine Schwanzflosse in aller Grösse in die Luft zu strecken. Als er nicht mehr zu sehen ist, schaue ich auf meine Kamera und bin begeistert: Soeben ist mir eines meiner absoluten Lieblingsbilder gelungen. Ich freue mich, dass ich den Moment nicht verpasst habe und bin völlig überwältigt.
Jetzt macht sich der Katamaran wieder auf den Weg ans Land, und nun, da ich nicht mehr abgelenkt bin, spüre ich auch meinen Magen wieder, der nicht mehr lange mitzuspielen scheint. Ich versuche, an etwas anderes zu denken und beobachte die Albatrosse und Robben, die sich im und auf dem Meer tümmeln. Als das Schiff anlegt, bin ich zwar froh, wieder an Land zu sein, aber auch absolut überwältigt von dem, was ich gesehen habe. Dieses Erlebnis werde ich definitiv nie mehr vergessen in meinem Leben. Die restlichen Wochen meines Neuseeland-Aufenthalts geniesse ich in vollen Zügen und bin begeistert von der unglaublichen Natur. Und ja: Manches ist ähnlich wie in der Schweiz. Die Gletscher, die Berge, die vielen grünen Landschaften. Aber die Tierwelt, die ich in Neuseeland beobachten konnte, war etwas ganz Besonderes.
5 Antworten
Hab zuerst gar nicht die Pingus am ersten Bild gesehen… Aber dann!!! Das muss ja wirklich einmal sein, Wildtiere so nah zu erleben.
Sie verstecken sich gut :-))
Ja, es war wirklich wunderschön!
Wenn ich die Fotos sehe, werd ich echt etwas neidisch. Wäre auch gerne mal Wildtieren so nah. Seufz… Gerade die Pinguine! 🙂
Ja, das Erlebnis war einmalig. Ich kann es nur jedem empfehlen :-))
Ich entschuldige mich aufrichtig für diesen Kommentar! Aber ich teste einige Software zum Ruhm unseres Landes und ihr positives Ergebnis wird dazu beitragen, die Beziehungen Deutschlands im globalen Internet zu stärken. Ich möchte mich noch einmal aufrichtig entschuldigen und liebe Grüße 🙂