Ein Tag in… Le Havre – Teil 1

Titel

Die an der Nordküste, in der Region Normandie gelegene französische Hafenstadt Le Havre ist in Deutschland vor allem für ihren bedeutenden Handelshafen bekannt, der zu den größten in ganz Frankreich gehört. Galt Le Havre* früher eher als maritimer Industrie-Standort, so hat sich das Image der Stadt mittlerweile deutlich gewandelt und Le Havre bietet seinen Besuchern heute eine reiche kulturelle Szene mit Museen, Kunstgalerien und Veranstaltungen. Besonders hervorzuheben ist das MuMa Museum für moderne Kunst, das Besucher aus aller Welt anzieht. Auch die Anerkennung des architektonisch bedeutenden Perret-Stils als UNESCO-Weltkulturerbe hat das Image von Le Havre weiter gestärkt und die Stadt als einzigartiges Ziel für Architekturinteressierte etabliert.

Le Havre wird somit heutzutage oft als weltoffene Stadt wahrgenommen und bemüht sich entsprechend, ihren Tourismussektor noch weiter zu fördern. Sie ist daher mittlerweile ein beliebtes Reiseziel für Urlauber, die die Küstenregion der Normandie und die vielfältigen Angebote der Stadt erkunden möchten. Ich selbst durfte im September die Küstenstadt erkunden und möchte daher heute und in einem zweiten Bericht meine Tipps für einen Tag, oder ein Wochenende in Le Havre mit euch teilen! Natürlich ist die Stadt absolut einen längeren Aufenthalt wert, aber vielleicht seid ihr auf der Durchreise und möchtet euch auf die absoluten Highlights beschränken – dann kommen hier meine Empfehlungen

Der Perret-Stil
Während des Zweiten Weltkriegs wurde vor allem das küstennahe Hafen- und Wohnviertel von Le Havre stark zerstört, aber in der Nachkriegszeit erlebte die Stadt unter der visionären Leitung des renommierten Architekten Auguste Perret eine beeindruckende Wiederauferstehung. Das heutige Stadtbild zeichnet sich durch seine einheitliche und moderne Architektur aus, die als Perret-Stil bekannt ist. Diese einzigartige Gestaltung wurde im Jahr 2005 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt und steht als beeindruckendes Beispiel für die Architektur und den Städtebau des 20. Jahrhunderts.

Der Perret-Stil ist vor allem durch den umfassenden Einsatz von Beton als Baumaterial gekennzeichnet. Dieser Baustil gilt als wegweisend für die Verwendung von Beton in der Architektur weltweit und bot eine vergleichsweise günstige und schnell anwendbare Lösung für den Wohnungsnotstand nach den Zerstörungen des Kriegs. Die Gebäude im Perret-Stil sind auf Funktionalität und Modernität ausgerichtet uns setzen auf Licht und Raum. Große Fenster und offene Innenräume schaffen eine angenehme und helle Umgebung. Sie verfolgen das Prinzip, dass die Architektur den Bedürfnissen der Bewohner dienen sollte und verzichten auf unnötige und somit kostenintensive Schönheitsdetails, ohne dabei einen ansprechend Stil und hilfreiche Alltagserfindungen zu vergessen. Dies führte zu klaren und einfachen Formen, die dennoch ästhetisch ansprechend sind.

Das Stadtzentrum von Le Havre ist das Herzstück der Perret-Architektur. Hier finden sich zahlreiche Gebäude im Perret-Stil, darunter Wohnhäuser, Geschäfte und öffentliche Gebäude. Auch eine Musterwohnung kann im Rahmen einer Führung besichtigt werden und gibt euch einen interessanten Einblick in das Leben der 50er Jahre, sowie in die damals bahnbrechenden neuen Erfindungen beim Wohnungsbau – wie die Raumbelüftung im Bad, die zentrale Heizung und die durchdachte Raumaufteilung. Mir hat die Besichtigung der Musterwohnung dabei geholfen, die Ideen hinter Perrets Entwürfen besser zu verstehen und ich kann euch daher eine Tour nur wärmsten empfehlen!

Doch damit nicht genug, auch die faszinierende Kirche Saint-Joseph ist ein herausragendes Beispiel für den Perret-Stil und hat mich ganz besonders durch ihr wunderschönes Lichtspiel begeistert. Ihre beeindruckende Betonstruktur und der hohe Glockenturm mit den kleinen bunten Glaskacheln haben einen hohen Wiedererkennungswert und gelten als wichtiger architektonischer Anziehungspunkt.

Je nach Lichteinfall leuchtet das Innere der Kirche in den Farben des Regenbogens mal in kühlem blau, lila und grün, oder in warmen Tönen wie orange und rot. Ihr erlebt bei eurem Besuch also nie die gleiche Stimmung, weshalb ich die Kirche auch mehrfach besucht habe – ein fast schon magischer Ort! Der Rundbau ermöglicht eine ungewöhnliche, aber in sich stimmige Raumaufteilung und die Akustik ist durch die Struktur des Innenraums besonders gut. Wahrlich ein architektonisches Meisterwerk!

Übrigens – auch der Platz vor dem Rathaus von Le Havre ist von Gebäuden im Perret-Stil umgeben, so wie der Bereich entlang der Uferpromenaden und in der Nähe der Häfen. Hier könnt ihr noch tiefer in das architektonische Erbe der Stadt eintauchen!

Das MuMa – Musée d’art moderne André Malraux
Das Musée d’Art Moderne André Malraux, in der Regel als MuMa abgekürzt, ist ein renommiertes Kunstmuseum für moderne Kunst in Le Havre und gilt als eines der bedeutendsten kulturellen Zentren der Stadt und darüber hinaus. Schon alleine das Gebäude des MuMa selbst wird als ein architektonisches Juwel angesehen und stellt ebenfalls ein Beispiel für den Perret-Stil dar.

Das Haus wurde 1961 eröffnet und ist nach André Malraux benannt, der in der französischen Kulturpolitik eine bedeutende Rolle spielte. Heute könnt ihr hier eine beeindruckende Sammlung moderner Kunstwerke, darunter Gemälde, Skulpturen, Grafiken und Fotografien von Künstlern des 19. und 20. Jahrhunderts besichtigen. Ausgestellt werden Werke von Impressionisten, Fauvisten und Kubisten, so z.B. Meisterwerke von Künstlern wie Claude Monet, Eugène Boudin, Raoul Dufy und anderen.

Dabei ist das MuMa besonders bekannt für seine Sammlung von Kunstwerken, die das Meer und den Hafen von Le Havre thematisieren. Diese Werke spiegeln die maritime Tradition der Stadt wider und geben dem Besucher eine ganz andere Sichtweise auf die Region. Auch die Entwicklung des Impressionismus wird hier eindrucksvoll darstellt, der im 19. Jahrhundert die Art und Weise, wie Kunst geschaffen und wahrgenommen wurde, grundlegend veränderte. Denn im Impressionismus war die Darstellung von Stimmungen, Lichtverhältnissen und der flüchtigen Natur des Moments wichtiger als eine akkurate Abbildung – die Künstler versuchten, die Eindrücke und Empfindungen des Augenblicks festzuhalten, nicht das klare Bild des Augenblicks selbst.

Die hier ausgestellte Sammlung enthält Werke von frühen Impressionisten wie Eugène Boudin und Johan Barthold Jongkind, welche den Grundstein für die Bewegung legten, indem sie die Darstellung des Lichts und der Atmosphäre in ihren Gemälden betonten. Die beeindruckende Anzahl von Werken des berühmten impressionistischen Malers Claude Monet hat mich besonders bewegt und ich war fast schon ehrfürchtig beim Anblick dieser monumentalen Kunstwerke. Monet wird oft als der Inbegriff des Impressionismus angesehen, und seine Gemälde von Seelandschaften, Gärten und Seerosenteichen sind hier ausgestellt. Gönnt euch also auf jeden Fall einen Besuch dieser beeindruckenden Ausstellung und genießt die besondere Atmosphäre im MuMa!

Meine speziellen Tipps
Es gibt zwei Orte, die ihr bei einem Besuch von Le Havre nicht auslassen solltet, auch wenn sie nicht direkt im Zentrum der Stadt liegen. Zum einen handelt es sich hierbei um „Das Ende der Welt“, zum anderen um den wohl schönsten Aussichtspunkt an der kleinen Kirche Chapelle Notre-Dame des Flots.

Ihr werdet euch nun sicher fragen, warum „Das Ende der Welt“ ausgerechnet an der Küste von Le Havre liegt?! Nun, hierbei handelt es sich um die Spitze eines Caps und somit ein tolles Ziel für eine kleine Wanderung mit spektakulären Blicken über die Steilküste und die hier teils raue See. Parkt hierfür an dem Parkplatz Place Maréchal Joffre und lauft entlang der Klippe – bitte nur nicht zu nah – zum Aussichtspunkt. Wer weiter in die Höhe möchte kann auch das Cap de la Héve in der Nähe besuchen und von hier die Fernsicht genießen.

Im Viertel rund um „Das Ende der Welt“ könnt ihr auf eurem Weg zudem viele wunderschöne Villen sehen, die nach dem zweiten Weltkrieg in den unterschiedlichsten Stilen erbaut wurden und heute vor allem von wohlhabenden Wochenend-Besuchern z.B. aus Paris genutzt werden. Nehmt euch also für die An- und Abreise hierher etwas Zeit und stöbert durch die architektonische Vielfalt des Viertels!

Ebenfalls einen tollen Blick auf Le Havre habt ihr von der kleinen Kapelle Chapelle Notre-Dame des Flots aus, die auch selbst einen Besuch wert ist. Die Kapelle ist der Jungfrau Maria, insbesondere als Schutzpatronin der Seeleute und Fischer, gewidmet und wurde schon immer vor allem von den Fischern der Region genutzt, um für die Sicherheit derer, die auf See arbeiteten zu beten. Neben ihrer charmanten Architektur ist vor allem die exponierte Lage in Saint-Adresse eine Besonderheit, welche einen atemberaubenden Blick auf das Meer und den Hafen von Le Havre bietet. Nur wenige Touristen verirren sich hierher, so dass dieser Aussichtspunkt noch als echter Geheimtipp gilt.

Empfehlungen für das leibliche Wohl
Die Normandie, einschließlich der Stadt Le Havre, hat eine reiche und vielfältige Gastronomie-Szene und ist vor allem berühmt für ihre erstklassigen Meeresfrüchte, wie beispielsweise frische Austern, Muscheln, Jakobsmuscheln und viele andere Fisch- und Meeresfrüchtegerichte. Die Normandie ist aber auch für ihre exquisiten Käsesorten und deftige Fleischgerichte bekannt und hat ebenfalls im Bereich vegetarischer Küche zuletzt deutlich zugelegt, so dass wirklich für jeden Geschmack etwas dabei ist. Ich selbst war bei meinem Besuch in Le Havre sowohl in der Eugénie Brasserie, als auch im Restaurant Les Enfants Sages zu Gast und möchte euch kurz einen Überblick über das jeweilige Angebot geben.

Eugénie Brasserie
Das Eugénie ist ein Restaurant im nördlich vom Zentrum gelegenen Viertel Sainte-Adresse, direkt am Strand und mit einem wunderbaren Blick auf das Meer. Im Sommer könnt ihr hier gemütlich draußen sitzen und euch eine Seebrise um die Nase wehen lassen, aber auch bei schlechtem Wetter oder im Herbst / Winter findet ihr innen genug Platz und dank großer Fensterflächen einen unverbauten Blick auf die Küste. Eine Reservation kann ich euch nur empfehlen, denn nicht nur der Ausblick, auch das Essen ist hier hervorragend und die Nachfrage somit immer recht hoch.

Das ganze Jahr über werdet ihr hier mit frischen, lokalen Produkten zu wirklich annehmbaren Preisen verwöhnt und könnt in einer doch recht lebhaften Atmosphäre einen fröhlichen Abend mit Freunden, oder der Familie verbringen. Die gastronomische Auswahl ist dabei vielfältig und reicht von Meeresfrüchten, über Wurst- und Käseplatten mit Spezialitäten aus der Normandie, einem frischen Tataki und Pasta bis hin zu Fleisch in allen Variationen und den wohl köstlichen Desserts überhaupt. Vegetarier genießen zum Beispiel Linguine mit Tomate und Burrata, oder Gyoza mit Karotten, Koriander und Bambussprossen.

Ich konnte mich auf eine Auswahl köstlicher Meeresfrüchte freuen, darunter frische Austern und aromatische Wellhornschnecken mit einer köstlichen Knoblauch-Mayonnaise sowie im Anschluss auf ein sehr zartes, gleichzeitig unheimlich gut gewürztes Tatar und ein vorzügliches Tataki. Diese Gerichte waren nicht nur ein Augenschmaus, sondern auch geschmacklich herausragend, so dass ich bis heute gar nicht aufhören kann davon zu schwärmen! Der herzliche Service und die erstklassige Qualität der Speisen haben mich schlichtweg begeistert. Bei meinem nächsten Besuch in Le Havre werde ich auf jeden Fall wieder hier einen Tisch reservieren.

Restaurant Les Enfants Sages
Im Restaurant Les Enfants Sages findet ihr eine gehobene, dennoch gemütliche Atmosphäre, sowie trotz der sehr zentralen Lage in Le Havre einen weitläufigen, begrünten Außenbereich, der im Sommer zu lauschigen Abenden unter den alten Bäumen einlädt. Innen hat es das Restaurant dank einer geschickten Raumaufteilung geschafft, bei guten Kapazitäten dennoch mit vielen kleinen Räumen eine gewisse Intimität für das Dinner herzustellen. Der Service ist ebenfalls erstklassig, sehr freundlich und professionell und das Ambiente erscheint insgesamt deutlich ruhiger, als in der lebhaften Brasserie – bestens geeignet also für einen romantischen Abend.

Auf seiner Karte zeigt das Restaurant Les Enfants Sages einen deutlich asiatischen Einfluss und somit einen interessanten Kniff, der französische Klassiker mit fernöstlichen Aromen geschickt vereint. Probiert doch beispielsweise die klassische hausgemachte Gänseleberpastete „foie gras“, die mit einem würzigen Chutney serviert wird. Oder wie würde euch ein Tataki vom Thunfisch mit Sesamsamen und Zitrusfrüchten gefallen?

Meine Wahl fiel hier nochmals auf die frischen Austern, weil ich diese einfach liebe und im Alltag nur selten Produkte mit einer so feinen Qualität wie hier finde. Dazu durfte ich anschließend das zart gegrillte Rindersteak an fruchtiger Ananas-Koriander-Sauce, sowie die frisch gemachten Coquillettes Nudeln mit Schinken, aromatischen Trüffeln und würzigem Comté Käse kosten. Ein wahres Gedicht und eine schöne, neue Interpretation klassischer Gerichte, bei denen ich euch einen Besuch nur wärmstens empfehlen kann.

Ihr merkt es schon – Le Havre hat erstaunlich viel zu bieten, mehr als ich in einem Beitrag zusammenfassen könnte. Und so dürft ihr euch schon jetzt auf Teil 2 meiner Empfehlungen freuen, auf einen Ausflug an und in den Hafen, sowie überraschend viel Kunst und Natur. Und natürlich darf dann auch eine Hotelempfehlung nicht fehlen, denn Le Havre ist wahrlich Wert länger zu verweilen!

*unentgeltliche Pressereise / Vielen Dank an Le Havre Etretat Normandie Tourisme für die Organisation und Einladung!

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